Mullah Nasrudin – der weise Narr des Orients

Nasrudin hält Predigten

Eines Tages wollten die Dorfbewohner sich mit Nasrudin
einen Spaß machen. Da man ihn für einen heiligen Mann,
wenn gleich von nicht recht verständlicher Art, hielt, gingen
sie zu ihm mit der Bitte, er möge bei ihnen eine Predigt halten.
Als der Tag kam, bestieg Nasrudin die Kanzel und sagte:
"O Leute! Wißt ihr, was ich euch erzählen werde?"
"Nein, wir wissen es nicht", riefen sie.
"Ehe ihr es nicht wißt, kann ich es auch nicht sagen.
Ihr seid zu unwissend, als daß ich damit anfangen kann",
sagte der Geistliche, übermannt von Entrüstung über so
unwissende Leute, die ihm seine Zeit stahlen.
Er stieg von der Kanzel und ging heim.

Leicht verärgert ging eine Abordnung wieder zu seinem Hause
und bat ihn, am kommenden Freitag, dem Tag des Gebetes, zu predigen. Nasrudin begann seine Predigt mit derselben Frage wie beim vorigen Mal. Diesmal antwortete die Versammlung wie aus einem Munde: "Ja, wir wissen es!" "In diesem Fall", sagte der Geistliche, "besteht für mich keine Notwendigkeit, euch länger aufzuhalten. Ihr könnt gehen." Und er kehrte heim.

Nachdem man ihn bewegt hatte, auch am dritten, darauf
folgenden Freitag zu predigen, begann er seine Ansprache
wie zuvor: "Wißt ihr es oder wißt ihr es nicht?"
Die Versammlung war darauf gefaßt.
"Einige von uns wissen es, andere nicht."
"Ausgezeichnet!" sagte Nasrudin.
"Dann laßt diejenigen, die es wissen, ihr Wissen denen
mitteilen, die es nicht wissen." Und er ging nach Hause.

Nasrudin und das Rezept

Nasrudin trägt eines Tages ein Stück Leber und das Rezept
für eine Leberpastete nach Hause.

Plötzlich stürzt ein Raubvogel herab
und reißt ihm das Fleisch aus der Hand.

Nasrudin ruft dem davonfliegenden Vogel nach:
"Dummer Vogel! Gut, die Leber
hast du, aber was machst du ohne das Rezept?"

Phantasieresultat

Nasrudin wanderte eines Tages eine verlassene Strasse entlang.
Die Nacht brach gerade herein, als er einen Trupp Reiter erspähte, der ihm entgegenkam.
Seine Phantasie begann zu spielen: er befürchtete, die Reiter könnten ihn ausrauben oder in die Armee zwangsverpflichten.
Seine Angst wurde so gross, dass er über eine Mauer sprang und
sich auf einem Friedhof wieder fand.

Die anderen Reisenden jedoch, der von Nasrudin unterstellten Absichten völlig unverdächtig, wurden neugierig und folgten ihm.

Als sie ihn fanden, lag er regungslos am Boden.
Einer der Reiter fragte: »Können wir Ihnen helfen -
warum befinden Sie sich in dieser misslichen Lage?«

Nasrudin erkannte, dass er sich geirrt hatte, und entgegnete:
»Das ist schwerer zu erklären, als Sie annehmen. Sehen Sie,
ich bin hier Ihretwegen - und Sie sind meinetwegen hier.

Freier Fall mit freier Folge

Als der Mulla Nasrudin eines Tages durch eine schmale Gasse
ging, fiel ein Mann von einem Dach - ihm genau auf den Kopf.
Der Mann blieb unverletzt, aber den Mulla mußte man ins Krankenhaus bringen.

"Welche Lehre zieht ihr aus diesem Ereignis, Meister?"
fragte ihn ein Schüler.

"Hüte dich vor dem Glauben an das Unvermeidliche,
auch wenn Ursache und Wirkung unausweichlich scheinen.
Und nimm dich in acht vor theoretischen Fragen wie:
Wenn ein Mann vom Dach fällt, wird er sich das Genick brechen?
Er fiel - aber mein Genick ist gebrochen!"

Mullah sieht Land

Es sah so aus, als würde das Schiff jeden Moment sinken, und die Passagiere lagen auf den Knien, beteten und bereuten ihre Sünden und gelobten, alle möglichen Dinge zu tun, wenn sie nur gerettet würden.
Allein Nasrudin war ungerührt.

Plötzlich auf dem Höhepunkt der Panik sprang er auf und rief:
"Sachte, sachte Freunde! Versprecht nicht zu viel, ihr könnt die Alten bleiben. Ich glaube, ich sehe Land!"

Der Mullah und die Chilipfefferschoten

Der Mulla saß einmal auf dem Boden in der Nähe eines Verkäufers und aß rote, scharfe Chilipfefferschoten.
Dabei verzog er unaufhörlich zuckend sein Gesicht, als würde jede wie heiße Lava die Zunge entlang und die Kehle hinunterfegen.

Die Augen tränend und das Gesicht verzogen, aß Nasrudin eine
nach der anderen, Schote um Schote.
Schließlich kam einer seiner Nachbarn vorbei und fragte den Mullah, warum er dies denn täte, wenn er doch so offensichtlich darunter litt.
Nasrudin antwortete freundlich: "Ich suche eine süße."

Ist das nicht wie unser Leben?
- meint Narrbert.

Der Mullah und der Mond

Eines Nachts ging der Mullah zum Brunnen.
Denn er war durstig und wollte Wasser trinken.
Da sah er, wie sich der Mond im Brunnenwasser widerspiegelte.

Er wollte unbedingt den Mond retten, also warf er das Seil in den Brunnen hinein und zog.
Der Wassereimer verklemmte sich dabei an einer Ecke eines großen Steins des Brunnenrandes.

Also zog der Mullah kräftiger.
Dabei riß das Seil und der Mullah fiel rückwärts zu Boden.

Obwohl ihm nun alles Weh tat, sagte er fröhlich:
"Es macht doch nichts, daß ich meinen Rücken verletzt habe, Hauptsache, der Mond ist wieder an seinem richtigen Platz."

Nasrudin und das Lügen

Ein Mann kam zum Mullah und bat ihn:
"Kann ich deinen Esel haben?"

"Sonst sehr gerne, aber heute
ist mein Esel nicht da" sagte der Mullah.

In diesem Augenblick schreit der Esel: "Iaaah".
"Warum lügst du, Mullah? Dein Esel ist doch zu Hause!"

"Glaubst du mir oder dem Esel?", fragte der Mullah.

Geldstücke

An Markttagen stand Nasrudin häufig auf der Gasse
und machte sich zum Narren:
So oft ihm Leute ein großes und ein kleines Geldstück anboten, nahm er jedes Mal das kleinere.

Eines Tages sagte ein wohlmeinender Mann zu ihm:
"Nasrudin, du solltest die größere Münze nehmen. Dann wirst du mehr Geld besitzen, und die Leute haben nicht länger Gelegenheit, sich über dich lustig zu machen."

"Das mag stimmen", sagte Nasrudin, "aber wenn ich stets die größere nehme, werden die Leute aufhören, mir Geld zu geben.
Denn sie tun es ja nur, um zu beweisen, daß ich verrückter bin als sie. Und dann würde ich überhaupt kein Geld mehr haben."

Nasrudin's Sandalen

Ein paar spielende Knaben wollten Nasrudin seine Sandalen entführen.
Als er die Straße entlang kam, scharten sie sich um ihn und sagten:
"Mulla, auf diesen Baum kann niemand klettern!"

"Aber natürlich kann man das ", sagte Nasrudin,
"ich werde euch zeigen, wie man es macht."

Er wollte seine Sandalen schon auf dem Boden stehen lassen,
aber eine innere Stimme warnte ihn, und so steckte er sie unter seinen Gürtel, bevor er zu klettern begann.
Die Knaben waren enttäuscht. "Wozu nimmst Du denn Deine Sandalen mit?" riefen sie zu ihm herauf.

"Wenn noch nie jemand auf diesen Baum geklettert ist,
wie soll ich dann wissen, ob es da oben keine Straße gibt?" entgegnete der Mulla.

Narrberts Welt ----- oder ----- Die Rückkehr des Narren

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